Hexe trivial?
Hexe total
Der dritte Comic, dem wir uns im Rahmen unserer Hexen-Reihe widmen, dreht sich um Megg, eine außerordentlich seltsame Vertreterin ihrer Zunft. Nicht nur deshalb hat er unseren Rezensenten nachhaltig verstört. Und dann fasziniert. Dann aber wieder verstört.
Es war einmal eine Hexe, die hieß Megg. Megg lebte zusammen mit ihrem Kater Mogg (der gleichzeitig ihr Sexpartner war) und einer anthropomorphen Eule namens Eule in einem völlig versifften Haus in der Vorstadt-Hölle. Manchmal kam auch ihr durchgeknallter Freund Werwolf Jones vorbei, der für jeden Scheiß zu haben war. Der Alltag der Freunde bestand – man muss es so sagen – aus Kiffen, Ficken, Wichsen, Fluchen und Wohnungen versauen. Ach, und aus Meggs erfolglosen Therapiesitzungen zur Behandlung ihrer Depression.
Eines Tages gerieten die Geschichten der Gruppe unter dem Titel Hexe Total (im Original Megg, Mogg and Owl) in Form eines Comic-Sammelbandes des tasmanischen Künstlers Simon Hanselmann in die Hände eines arglosen Rezensenten. Dieser war von dem im Avant-Verlag publizierten Produkt zunächst ziemlich abgestoßen. Die blassen, trostlosen Farben, Episoden aus dem Leben einiger Zugedröhnter zeigend, die vermutlich (hoffentlich?) deutlich witziger sind, wenn man selbst dabei war, ergaben einen wirklich unangenehmen Ersteindruck. Dieser wurde noch verstärkt durch Hanselmanns Beharren auf der Monotonie des 4×3-Panelgrids.
Ein wenig Versöhnung fand der Rezensent darin, dass die Erlebnisse von Megg sehr stark an Hanselmanns eigene Kindheit in einer von Drogen und psychischen Problemen geplagten Familie angelegt waren. Das half ihm sehr, das Menschliche hinter den Figuren zu sehen; und so entdeckte er mehr und mehr Dinge, auf die auch Leser*innen, die unter gemäßigteren Umständen aufgewachsen sind, Bezug nehmen können: die Kraft der sorgsam gesetzten stillen, wortlosen Panels; das Gefühl für die Zeit, die zwischen den Panels vergeht, sich aber nie richtig messen lässt, was Meggs depressives Dahindriften gut einfängt; den in sich schlüssigen Stil; die heiteren Momente in Meggs verdammt miserablem Leben, die einen irgendwie weitermachen lassen, auch wenn alles kacke ist. Ja, man musste Hexe Total nicht total gut finden; total trivial war es aber auch nicht.
Und wenn Megg, Mogg und Eule nicht gestorben sind, dann… kann man sich bis heute fragen, inwiefern man hier überhaupt einen Hexen-Comic vor sich hat. Zugegeben: Megg trägt zwar die typische schwarze Kluft samt spitzem Hexenhut, und rote Haare und eine lange Nase hat sie auch. Doch im gesamten Band kommt ihre Hexistenz nur einmal zur Sprache: „Ich bin eine Hexe. Ich mache schaurige Sachen. Ich beschwöre Megaflüche. Ich schneide Schlampen.“ So weit, so unenthusiastisch. Und zaubern kann sie auch nicht. Der offensichtlichste Bezugspunkt ist die Kinderbuchreihe Meg and Mog von Helen Nicoll, wo es aber natürlich deutlich zurückhaltender zugeht. Und doch sind da kaum klar zu benennende Parallelen zwischen Megs simplen Abenteuern und Meggs Alltagsmuff, in dem je nach Geisteszustand schon das Einkaufen ein episches Unterfangen sein kann. Die Drogenexzesse passen zum Walpurgisnachtsthema, welches an anderen Stellen durch das Vorstadtszenario und Meggs Depression unterlaufen wird. Letzteres ist auch das eindrücklichste an Hexe Total und bildet so einen düsteren Referenzrahmen für all die geschmacklosen Scherze, unter denen vor allem Eule zu leiden hat. Irgendwie ist das dann auch hexenmäßig: wenn man sich so mies fühlt wie Megg in einer Welt, aus der man nicht fliehen kann, dann darf sich man vielleicht zurecht wie verhext zwischen Normalos fühlen – und das entweder an diesen Normalos auslassen oder sich Hexenkräfte wünschen, um wegzufliegen.
Wertung: 3 von 5 halluzinogenen Kröten
Hexe Total
Simon Hanselmann / Avant-Verlag 2015
Paperback, 176 Seiten, €24,95
Zwei weitere, nicht weniger verstörende Bände sind zwischenzeitlich erschienen: HEXE TOTAL 2 und HEXE TOTAL IN AMSTERDAM.
Abbildungen: © Simon Hanselmann / Avant-Verlag