Finanzkrise mal anders: Heil Dir, König Mammon!
The Black Monday Murders
In der Image-Reihe The Black Monday Murders liefern Jonathan Hickman und Tomm Coker eine Erklärung für die Fragilität der Finanzwirtschaft, die beinahe so gruslig ist wie die Wirklichkeit.
Die Finanzkrise, die die Welt 2007 an den Rand des Abgrunds gebracht hat und heute noch schmerzhafte Folgen nach sich zieht, wurde zwischenzeitlich eingehend durchleuchtet. Nach einhelliger Einschätzung hatte sie ihre Ursache in mangelhaft abgesicherten amerikanischen Immobilienkrediten, die in Form von geschickt verschachtelten „Finanzprodukten“ weltweit weiterverkauft wurden und, einmal enttarnt, die Bilanzen der Banken ins Wanken brachten.
Wo die kausalen Zusammenhänge derart klar auf dem Tisch liegen, erstaunt es umso mehr, wie halbherzig die Maßnahmen ausfielen, mit denen zukünftig derartige Katastrophen vermieden werden sollen. Insbesondere die Vehemenz, mit der sich die Finanzwirtschaft selbst gegen jegliche Reglementierung sträubte, ist allein mit den Maßstäben des gesunden Menschenverstands nicht nachzuvollziehen.
Diese offenkundige Diskrepanz nutzen Jonathan Hickman und Tomm Coker als Ausgangspunkt für eine irrwitzige These. Wenn in ihrer Reihe „The Black Monday Murders“ einige Investmentbanker dem Mammon huldigen, dann ist das hier keine abgedroschene Phrase, sondern ganz wörtlich als Götzendienst zu verstehen, Geld- und Blutopfer inklusive. Die zyklisch auftretenden Krisen des Finanzmarkts sind nach dieser Sichtweise keine unvorhersehbaren Katastrophen, sondern schlicht und einfach die Phasen, in denen der Dämon seinen Tribut einfordert.
Die bisher erschienenen Hefte bilden eine ausgedehnte Exposition, in denen der Leser vier traditionsreiche Geldhäuser mit dunklen Geheimnissen kennenlernt. Kurze, auf verschiedenen Zeitebenen spielende Kapitel bilden dabei die Mosaiksteinchen, aus denen sich nach und nach ein raffiniert ausgestalteter Hintergrund zusammensetzt. Konsequent bettet Hickman die einzelnen Episoden in reale zeitgeschichtliche Situationen wie die Weltwirtschaftskrise von 1929 oder die Endphase des Sozialismus in Osteuropa ein und verleiht ihnen dadurch scheinbare Authentizität.
In der Gegenwart beginnt die Geschichte mit einem grausamen Ritualmord. Das Opfer ist Daniel Rothschild, Nachkomme eines der alten, in einem schwarzmagischen Bund vereinten Bankhäuser. Sein Tod erschüttert deren fein austariertes Machtgefüge und setzt dramatische Geschehnisse in Gang.
Die Ermittlungen in dem Mordfall werden Theodore Dumas anvertraut, einem Polizeidetective, dem das Okkulte durch seine Abstammung nicht fremd ist und bei dem das Knochenorakel gleichberechtigt neben der Dienstwaffe in der Schreibtischschublade liegt. Er dient dem Leser als Identifikationsfigur und Führer durch das Dickicht der zahlreichen handelnden Figuren, Institutionen und ihrer Verflechtungen.
Obwohl die Erzählung nur verhältnismäßig langsam in Gang kommt, weil sie den Aufbau der aufwendig ausgestalteten Welt schultern muss, hält sie den Leser jederzeit bei der Stange – nicht zuletzt durch ein konstant vorhandenes, unterschwelliges Gefühl der Bedrohung. Hickman gelingen einige intensive und beunruhigende Szenen, wie etwa wenn der russische Investmentbanker Viktor Eresko im Polizeiverhör sehr beiläufig und ausgesprochen blutig demonstriert, wie weit seine Macht über andere Menschen reicht. Auch hier gewinnt die Fiktion ihre Überzeugungskraft dadurch, dass sie sich aus der Realität speist – oder zumindest aus unserem Bild derselben: Die Figuren erinnern uns an den aus den Medien vertrauten Typus des gewissenlosen, außerhalb jeglicher Regeln agierenden und unantastbaren Bankers – ergänzt um das, was unser Unterbewusstsein ihm vielleicht noch zutrauen würde.
Tomm Cokers düstere, von Michael Garland in tiefe Braun- und Blautöne getauchten Zeichnungen verstärken den nihilistischen Charakter der Geschichte – auch wenn einige Panels dadurch irritieren, dass sie wie hastig am Computer bearbeitete Fotos wirken.
Mindestens genauso bemerkenswert wie die Grafik innerhalb der Panels ist aber ohnehin die zwischen den Comicseiten. Eine Fülle von zusätzlichem Material trägt dazu bei, eine überzeugende, kohärente Welt entstehen zu lassen: Inhaltsverzeichnisse sind wie Geschäftsberichte mit geschwärzten Passagen gestaltet, komplexe Diagramme erklären die Zusammenhänge innerhalb und zwischen den Banken, Tagebucheinträge, Briefe und Ermittlungsakten vervollständigen das Bild.
Wer sich auf die verschachtelte Erzählstruktur einlässt, wird mit einer fesselnden Geschichte und einem unkonventionellen Blick auf die Elite der Finanzwirtschaft belohnt. Die bisher erschienenen Hefte werfen dabei mehr Fragen auf, als sie beantworten, und machen so neugierig auf die Fortsetzung. Erschreckend ist, dass die Serie – wie jede gute Verschwörungstheorie – bei all ihrer Abwegigkeit einige Zusammenhänge scheinbar schlüssiger erklärt als es der Wirtschaftsteil renommierter Tageszeitungen schafft. Vielleicht sollte mal jemand der Bankenaufsicht empfehlen, den einen oder anderen Exorzisten einzustellen. Nur für alle Fälle.
The Black Monday Murders
Image Comics / Jonathan Hickman, Tomm Coker
bisher 6 Hefte, jeweils ca. 48 Seiten, $3,99
Abbildungen: © Image Comics